In einer wegweisenden Arbeit haben Forscher:innen der Universität Innsbruck in Zusammenarbeit mit der University of Durham erstmals eine Bose-Einstein-Kondensation von angeregten Cäsiumatomen erreicht. Die in der Zeitschrift Nature Communications veröffentlichte Forschungsarbeit ebnet den Weg für neue Experimente mit ultrakalten Gasen und die weitere Erforschung der Vielteilchen-Quantenphysik.
Die Welt der Atome um uns herum, die normalerweise durch Chaos und Wärme gekennzeichnet ist, verändert sich bemerkenswert, wenn die Atome drastisch abgekühlt werden. Bei Temperaturen knapp über dem absoluten Nullpunkt nehmen die Teilchen einen einzigartigen Quantenzustand ein, der als Bose-Einstein-Kondensat (BEC) bekannt ist und in dem sie sich wie eine einzige, kohärente Einheit verhalten. Das erste BEC wurde 1995 realisiert, 70 Jahre nach der theoretischen Vorhersage von Albert Einstein und Satyendra Nath Bose. Seitdem haben Forscher die besonderen Eigenschaften dieser ultrakalten Gase eingehend erforscht. Darüber hinaus haben sich ultrakalte Gase, die sehr gut kontrolliert werden können, als unschätzbare Plattform für die Untersuchung der Wenigteilchen- und Vielteilchenphysik erwiesen. Insbesondere Cäsium war in dieser Hinsicht aufgrund seiner Vielzahl an Feshbach-Resonanzen, die eine präzise Abstimmung der Wechselwirkungen ermöglichen, von großer Bedeutung. Bislang wurde Cäsium immer in seinem Grundzustand kondensiert. Nun ist es Forscher:innen der Universität Innsbruck in Zusammenarbeit mit einem Theorieteam der Universität Durham erstmals gelungen, Cäsiumatome im angeregten Zeeman-Zustand mF=2, einer Nicht-Grundzustandskonfiguration, zu kondensieren.
„Das Gelingen der Bose-Einstein-Kondensation hängt von der Aufrechterhaltung eines günstigen Verhältnisses von guten und schlechten Kollisionen ab. Elastische Kollisionen spielen eine entscheidende Rolle bei der Steuerung des Verdampfungs- und Thermalisierungsprozesses, während unelastische Zweikörper-Kollisionen und Dreikörper-Rekombinationen die Kühleffizienz verringern können, möglicherweise bis zu dem Punkt, an dem die Entstehung eines BEC verhindert wird", erklärt Milena Horvath, die Erstautorin der Studie. Das Team identifizierte zwei unterschiedliche Magnetfeldbereiche, in denen eine Kondensation möglich ist, mit vernachlässigbaren Zweikörperverlusten und ausreichend unterdrückten Dreikörperverlusten. „Die Kondensation von Cäsiumatomen in dieser Nicht-Grundzustandskonfiguration hat auch einige interessante und unerwartete Dreikörper-Verlustmechanismen offenbart", sagt Milena Horvath. „Diese Entdeckung zeigt die Komplexität ultrakalter Atomsysteme und unterstreicht die Bedeutung detaillierter Experimente", fügt der Leiter der Arbeitsgruppe, Hanns-Christoph Nägerl, hinzu. Die Arbeit, die in Nature Communications veröffentlicht wurde, baut auf den Fortschritten der vergangenen zwei Jahrzehnte seit der ersten Kondensation von Cäsium in Innsbruck im Jahr 2003 auf und zeigt die Fortschritte auf diesem Gebiet auf. „Dieses Ergebnis fügt sich in die reiche Geschichte der Quantenforschung in Innsbruck ein", sagt Hanns-Christoph Nägerl. „Wir freuen uns darauf, unser Verständnis der Vielkörper-Quantenphysik wie Störstellen- und Polaronphysik sowie topologische Phasenübergänge und Quanten-Gasmischungen zu vertiefen."
Die Forschung wurde vom Österreichischen Wissenschaftsfonds FWF im Rahmen eines Wittgenstein-Preises, von der Europäischen Union mit einem ERC-Grant und vom UK Engineering and Physical Sciences Research Council gefördert. Milena Horvath ist Mitglied des FWF-Doktoratsprogramms Atome, Licht und Moleküle (DK-ALM).
Publikation: Bose-Einstein condensation of non-ground-state caesium atoms. Milena Horvath, Sudipta Dhar, Arpita Das, Matthew D. Frye, Yanliang Guo, Jeremy M. Hutson, Manuele Landini, and Hanns-Christoph Nägerl. Nat Commun 15, 3739 (2024). DOI: 10.1038/s41467-024-47760-0